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Stille Zeiten - Katrin Rossdeutscher

Sie gefallen mir. Mit mir selbst vorlieb nehmen und zufrieden sein – das kann ich ohne Langeweile, Tag für Tag. Hobbys krisenfest, wie mir scheint und mein langer Atem bei der Wohnungssuche macht sich auch bezahlt. Gartenwohnung. Bezahlbar. Gut gelegen. Lieber ein Zimmer weniger, putzt sich schneller. Im Sommer ist der Garten mein zweites Zimmer.

Da habe ich Gesellschaft – mehr oder weniger Willkommene, wie ich feststellen musste. Die Mäuse sind bereits tot, nun muss ich gegen die Ratten etwas größere Geschütze auffahren. Wobei – eine Ratte. Aber wo eine ist… die eine finde ich jedenfalls sehr niedlich. Wenn sie einen mit ihren Knopfaugen ansieht und sich dann doch zur Flucht entschließt. Ich denke, sie weiß, wer sie gut füttert.

 

Das Vogelhäuschen frisst sie jedenfalls regelmäßig leer. Erst hatte ich die Tauben in Verdacht. Die sind genauso unbeliebt und nicht erwünscht. Tauben sind die Ratten der Lüfte. Aber da keine Ratte, weder mit Fell noch mit Federn lesen kann, lohnt sich wohl kein Hinweisschild: Zugang/Zuflug nur für nette Vögel.

 

In erster Linie ist das mein Amselpärchen. Sie haben fleißig ein Nest gebaut und erfreuen mich mit ihrem Gesang. Oder ihrem Geglucke. Wie ich es beschreiben soll… ich habe auch noch nicht herausgefunden, was der Laut bedeutet. Das Weibchen gluckt oder schnalzt immer, wenn sie frisst. Manchmal denke ich, dass es Aufgeregtheit äußert. Vielleicht hat sie schon Vögelchen im Nest und ihr Laut signalisiert, dass sie da ist. In der Nähe, auf Futtersuche. Und der Nachwuchs sich still verhalten und gedulden soll.

 

Die Meisenknödel sind mittlerweile auch beim Amselpärchen beliebt, die haben gelernt, daran zu fressen. Das Männchen ist geschickter und oft pickt er daran herum und das Weibchen sitzt unten und frisst. Tierische Fürsorge.

Die kleineren Vögel sind in der Rangordnung hinten angestellt. Die Meisen und das Rotkehlchen kommen erst, wenn die Amseln satt und weg sind. Ich habe Blau- und Kohlmeisen gesehen. Sie haben keine Probleme, hängenderweise an den Ballen zu picken. Hinabfallendes bleibt von ihnen verschmäht, darüber freuen sich die Heckenbraunellen. Kleine, fast winzige Vögelchen, die oft mit Zaunkönigen verwechselt werden. Ich war mir auch lange nicht sicher, allerdings haben sie braune Augen und nicht den abgeknickten Schwanz, der dem Zaunkönig eigen ist. Allerdings scheint es sich nicht um ein Paar zu handeln, denn einer dieser kleinen Braunlinge ist gestört und balzt sein Spiegelbild in allen metallischen Oberflächen an. Dann ist er wie von Sinnen, flattert aufgeregt und pickt kräftig gegen den Fuß des Grills.

 

Und dann klingt da noch ein kräftiges Brumm- und Summkonzert. Erst am weißblühenden Baum, den ich Bienenbaum nenne. Ob es sich tatsächlich um diese Spezies handelt, weiß ich nicht. Ich wusste bis vor kurzem nicht, dass es einen „offiziellen Bienenbaum“ gibt. Jetzt blüht der Flieder und das schwarz-gelb gestreifte Getöse hat sich an die lilafarbenen Sternchen verlagert. Die Blütendolden sind so schwer, dass die biegsamen Äste weit hinab hängen und der Busch mindestens das doppelte Volumen wie sonst einnimmt. Eine wohlduftende Raumforderung. In der auch noch ein paar bunte Ostereier hängen. Als ich diese Deko eine Woche vor Ostern platzierte, waren es gerade erst Knospen und die Eier gut sichtbar. Nun werden sie vom Lila verschluckt. Was mich jedoch fasziniert, sind die Schatten der Blüten und Blätter, die die Sonne kunstvoll auf die bunten Oberflächen zaubert.

 

Ein paar Meter weiter ragen zwei gelbe Säulen in die Luft. Im Januar haben mich diese beiden Pflanzen zwei Mahlzeiten mit Rosenkohl versorgt. Ihre Wuchsform fand ich zu lustig, um sie abgeerntet der Biotonne zu überführen. Nun erfreue ich mich an den schwach-herb duftenden Blüten, ein Feuerwerk, wenn die Sonne damit spielt. Jetzt bin ich gespannt, ob ich wenigstens ein paar Samen erwische. Ich habe zwar noch Körnchen vom letzten Jahr aber selbstgemacht ist doch viel befriedigender. Aus der Kräuerpalette habe ich bereits Thymian, Liebstock und Rucola geerntet. Alles hat problemlos überwintert. Wobei die Rauke noch recht scharf ist, eine Handvoll in den Salat reicht völlig. Vielleicht werden die neuen Blättchen etwas milder. Muss aber nicht, als Beimischung mag ich es so kräftig.

 

Die Fensterbank ist meine Kinderstube. Meine Sommerleidenschaft: Tomaten. Sie kommen gut, meine Lieblingssorten der letzten Jahre. Allen voran, die Titos, eine kleine Tigertomate, deren offiziellen Namen ich nicht kenne. Die Samen bekam ich von einer Freundin von einer Freundin, deren Oma… ich vermute, dass es sich um die „Green Zebra“ handelt, aber Tito klingt doch viel lustiger. Lebhafter. Und das sind sie. Knackig, aromatisch und – ich vertrage sie. Wie alle selbst angebauten Sorten bisher. Meine Überraschungen vom letzten Jahr: „Tasmanian Chocolate“, eine große, wunderschön gefärbte Frucht und „Silbertanne“, deren Laub aussieht, als hätte man sie mit einer Möhre gekreuzt. So hat sie auch den Namen „Carrot like“. Nicht zu vergessen die „Fuzzy Wuzzy“, eine rot-gold getigerte Herztomate. Eine kleine (determinierte) Sorte, deren auffälligstes Merkmal die weiche Behaarung an Laub und Frucht ist.

 

Neu im Sortiment habe ich die „Helsing Junction Blues“, wie der Name schon sagt, eine blaue Sorte. Einfach aus Neugier. „Old German“, die riesig werden soll. Und das „Gelbe Feldbirnchen“. Offizieller Name unbekannt. Sie ist klein, gelb und sieht von der Form aus wie eine Birne. Feldbirnchen ist von ihrem Fundort abgeleitet. Im Rübenfeld, letztes Jahr im Herbst trotzte sie Wetter und Witterung. Ich war auf dem Heimweg, als sich mir der kleine Strauch mit den gelben Blüten aufdrängte. Das ist doch eine Tomatenpflanze? Genauere Untersuchung bestätigte mir diese Vermutung. Ein Blick nach rechts, einer nach links, kein Mensch zu sehen und zappzarapp – hatte ich die Pflanze in der Hand. So, als müsse das so sein. Glücklich trug sie in den Garten, nun warfen sich mir die Sorten schon vor die Füße. Im geschützten Folienhaus konnte ich nur wenige Samenkörnchen gewinnen. Umso spannender ist nun, was sie geschmacklich kann.

 

Allerdings habe ich festgestellt, dass mir im Grunde alles mundet, das durch meine Hände gewachsen ist. Befriedigung schmeckt einfach gut! Und es hat einen weiteren Vorteil: In einer Zeit wie jetzt, wo die Menschen angehalten sind, sich zurückzuziehen, bin ich frei von Langeweile. Gerade die jungen Pflänzchen benötigen mehr Aufmerksamkeit und Pflege. 85 von 103 gesäten Tomaten sind zum Dienst erschienen. Der Rest – wegen Corona vielleicht zu Hause im Home Office 

Und wenn dann alle Pflänzchen, also auch die Erbsen, Gurken, Spinat, Salat und die Kräuter, versorgt sind, bleibt der Liegestuhl. Dort liege ich dann mit der Kamera auf der Lauer und warte auf meine tierischen Freunde. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Veronika Valder (Sonntag, 26 April 2020 12:25)

    Hallo Kathrin,
    ich sehe einen bunten Garten, nehme tolle Gerüche wahr und höre das Summen der Bienen :-) Danke für weitere Inspirationen.